«Listenhunde in der Schweiz»: Gibt es gefährliche «Kampfhunde»?

Zahlreiche Hunderassen werden auch heute noch aufgrund ihrer «Rasse» oder ihres Aussehens als «Listenhunde» oder «Kampfhunde» bezeichnet – und damit als gefährlich oder potenziell gefährlich eingestuft. In diese Kategorien fallen Hunderassen, die in der Schweiz, in Deutschland, Österreich oder Liechtenstein auf mindestens einer der sogenannten Rasselisten stehen.

Lesen Sie hier mehr über begriffliche Hintergründe, die Einordnung von Hunden auf solchen Listen und erfahren Sie mehr über das Leid, das mit der Zucht und Haltung dieser sogenannten Kampfhunde verbunden ist.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein «Kampfhund» und woher stammt der Begriff eigentlich?

Der Begriff »Kampfhund» lässt sich auf den Einsatz von Hunden in Tierkämpfen zur Unterhaltung des Menschen zurückführen: Bei solchen Kämpfen werden Hunde zur Belustigung oder aus Profitgründen gezwungen, gegen andere Tiere zu kämpfen – entweder gegen andere Hunde oder gegen grössere Tiere wie Bullen. [1]

Heute werden bestimmte Hunderassen als «Listenhunde» oder «Kampfhunde» bezeichnet und damit aufgrund spezifischer Merkmale wie der Gesichtsform oder des Körperbaus von der Regierung als potentiell gefährlich eingestuft und auf einer Liste mit Haltungseinschränkungen oder gar -verboten geführt. [2]

In vielen Kantonen fallen Rassen wie Rottweiler, Dobermann sowie verschiedene Doggen- und Terrier-Arten in diese Kategorien. [1] Wie willkürlich diese Einordnung ist, zeigen die von Kanton zu Kanton unterschiedlichen Listen – denn ein allgemeines Einverständnis, welche Rassen als «gefährlich» gelten und warum, gibt es nicht. [2]

Hund hinter Gitter
«Kampfhunde» sollten ursprünglich in Tierkämpfen für Unterhaltung sorgen.

«Listenhunde» in der Schweiz

Aktuell gibt es in 13 von 26 Kantonen und Halbkantonen eine Rasseliste. Eine schweizweit einheitliche Rasseliste lehnte das Parlament bisher ab. Von den deutschsprachigen Ländern ist die Schweiz mit 38 Rassen das Land mit den meisten Hunderassen, die in mindestens einem Kanton als «Listenhunde» geführt werden. Tessin hat mit 30 gelisteten Rassen die längste Liste, Waadt mit 3 Hunderassen die kürzeste. [2]

Einige Hunderassen stehen besonders oft auf den Rasselisten der verschiedenen Kantone, darunter

  • (American) Staffordshire Terrier
  • Bordeauxdogge
  • Bullterrier
  • Bullmastiff / Mastiff
  • Cane Corso Italiano
  • Dobermann
  • Dogo Argentino

In den Kantonen Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Bern, Graubünden, Jura, Luzern, Neuenburg, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, St. Gallen, Uri und Zug gibt es beispielsweise keine Einschränkungen bezüglich der Haltung «potenziell gefährlicher» Hunde. [3]

Sind «Kampfhunde» wirklich gefährlich?

In der Schweiz wurden 2007 und 2008 rund 2‘680 bzw. 2‘570 Hundebisse beim Menschen gemeldet; davon betrafen etwa 380 Meldungen «übermässig aggressive Hunde», zu denen allerdings keine «Rassen» bekannt sind. Die häufigsten Hundetypen wie die Schäferhunde oder die Terrier wurden auch am häufigsten im Zusammenhang mit Beissvorfällen gemeldet. [4]

Die deutsche Beissstatistik beispielsweise wird von verschiedenen Rassen angeführt, darunter Schäferhund, Dackel und Mischlinge: [5] In diesen Statistiken kommen sogenannte Kampfhunderassen genauso vor wie alle anderen Rassen. [4]

Dies zeigt eindrücklich, dass es unabhängig von der Rasse in der Verantwortung der Haltenden liegt, ihre Tiere so unter Kontrolle zu haben, dass es zu keinen Beissvorfällen kommt.

Bei gewissen «Hunderassen» ist die Beisskraft aufgrund ihrer Anatomie nachweislich grösser als bei anderen Rassen. Die Beisskraft steht allerdings in keinem Zusammenhang mit dem Verhalten der Hunde und korreliert somit auch nicht mit aggressivem Verhalten. Leider werden «Listenhunde» wegen ihrer optischen Merkmale besonders oft Opfer von Missbrauch durch ihre Halter:innen:

  • So werden die Vierbeiner häufig von bestimmten Personengruppen oder in kriminellen Kreisen als Statussymbole oderauch als Prestigeobjekt gehalten.
  • In einigen Ländern werden den Tieren, damit sie gefährlicher aussehen, die Ohren und Schwänze kupiert. In der Schweiz ist diese Art der Verstümmelung verboten und somit illegal.
  • Fehlen diese Körperteile teilweise oder komplett, leiden die Tiere ein Leben lang; sie können unter anderem nicht mehr richtig mit Artgenossen kommunizieren.

Sogenannte Kampfhunde wie Pitbulls gehören wohl zu den am meisten verkannten «Hunderassen». Teilweise werden sie daher aus fragwürdigen und kriminellen Gründen gehalten und gezüchtet – beispielsweise für illegale Hundekämpfe.

Dobermanwelpen
Diesen Welpen wurden bereits mit drei Tagen die Schwänze teilamputiert.

Warum die Kategorisierung von «Listenhunden» falsch ist

Neben seiner genetischen Disposition prägen hauptsächlich Erfahrungen einen Hund und sein Verhalten – sowohl positive als auch negative:

Nur ausgebildete, zertifizierte und nach neuestem Stand der Wissenschaft umfassend kynologisch ausgebildete Hundetrainer:innen dürfen entscheiden, ob ein Hund aggressiv ist und warum, ob er resozialisierbar ist oder nicht. Häufig sind vermeintlich «aggressive» Hunde gar nicht aggressiv, sondern ängstlich oder verunsichert. Die Ursache eines auffälligen Verhaltens ist also in der Regel keine wirkliche Aggression.

Nur ein kleiner Prozentteil vermeintlich aggressiver Hunde ist wirklich aggressiv und damit auch potentiell gefährlich. Daher setzen wir uns für einen verpflichtenden Hundeführerschein ein, denn so lernen Halter:innen ihren Hund besser zu verstehen und ihn seinen Bedürfnissen entsprechend zu halten. Missverständnisse entstehen häufig durch Kommunikationsprobleme zwischen Hund und Halter:innen sowie durch Haltungsfehler und Überforderung, dem durch einen Hundeführerschein vorgebeugt werden kann.

Hund schläft in der Sonne
Hunde sind nicht automatisch aufgrund ihrer «Rasse» aggressiver.

Die Verantwortung liegt bei den Hundehalter:innen

Es ist ungerecht, diese Hunde pauschal zu verurteilen. Denn durch falsche Haltung, Missbrauch oder aufgrund von anderen Umständen kann jeder Hund gegenüber Menschen oder anderen Tieren aggressiv werden – unabhängig von seiner «Rasse». Alle Hundehalter:innen stehen daher in der Pflicht, ihren tierischen Mitbewohner verantwortungsvoll zu erziehen und sicherzustellen, dass er nicht zur Gefahr für andere wird.

Besonders willkürlich und fragwürdig erscheint die Einteilung der «Hunderassen» vor dem Hintergrund, dass die verschiedenen Kantone zum Teil unterschiedliche Rassen als sogenannte Kampfhunde listen: Nur weil ein Hund also in einem Kanton als potenziell gefährlich eingestuft wird, gilt das nicht flächendeckend in der Schweiz.

Hunde schützen – mit Gesetzen und Zuchtverboten

Sogenannte Kampfhunde kommen wie viele andere Hundewelpen meist aus dubiosen Zuchtanlagen, oft aus dem osteuropäischen Raum – das Problem: Für die meisten Züchter:innen stehen nicht die Bedürfnisse der Tiere im Vordergrund, sondern der Profit.

Immer wieder decken Tierschützer:innen bei Recherchen zum illegalen Welpenhandel katastrophale Zustände bei Züchter:innen auf:

  • Weibliche Tiere werden als Gebärmaschinen missbraucht.
  • Welpen werden ihren Müttern zu früh entrissen, sie sind krank und haben gefälschte Ausweisdokumente.
  • Viel zu junge Welpen werden langen Transportwegen ausgesetzt.

In Schweizer Tierheimen warten über 17’000 Tiere auf ein liebevolles Zuhause. [6] Die Zucht von und der Handel mit Hunden sollte daher grundsätzlich eingestellt werden. Verantwortungsvolle Züchter:innen kann es vor diesem Hintergrund niemals geben.

Pitbull hinter Gitter
Im Tierheim warten viele «Listenhunde» auf ein neues Zuhause.

Helfen Sie Hunden und anderen Tieren: Adoptieren statt kaufen!

Wenn Sie einen Hund oder ein anderes Tier adoptieren möchten, sollten Sie vor allem darauf achten, dass das Tier charakterlich zu Ihnen passt – eine mögliche Rassenzugehörigkeit sollte keine Rolle spielen. Adoptieren Sie nur dann ein Tier, wenn Sie sich sicher sein können, dass Sie ihm ein seinen Bedürfnissen entsprechend gutes Zuhause bieten können. Achten Sie darauf, wie alt die Tiere werden und welche möglichen Kosten dabei auf Sie zukommen können.

Falls Sie dennoch einen Hund einer bestimmten Rasse suchen, dann finden Sie mit etwas Geduld auch im Tierheim den perfekten tierischen Mitbewohner.

Bitte unterstützen Sie niemals den Handel mit «Haustieren» – denn Züchter:innen geht es primär darum, möglichst grosse Profite mit den Hunden zu erzielen – das Wohl der Tiere rückt dabei in den Hintergrund.