Stadt Biel zeigt Ökobilanz der Milchindustrie auf – Lobby protestiert

Die Stadt Biel gibt ihren Einwohnern regelmässig Tipps zu umwelt- und klimafreundlichem Verhalten. Nachdem die Stadt im Herbst 2020 ihre Bevölkerung auf die schlechte Ökobilanz von Käse hingewiesen hatte, beschwerten sich bekannte Vertreter der Milch- und Käseindustrie – daraufhin ruderte die Stadt mit ihrer Aussage zurück. [1]

Stadt verweist auf schlechte Ökobilanz von Käse – und zieht Äusserung nach Beschwerden der Milch- und Käselobby wieder zurück

Normalerweise drehen sich die Tipps der Stadt Biel um Themen wie das Verwenden von Mehrweggeschirr oder Recycling von PET-Flaschen. Als die Stadt jedoch riet, beim Kauf von Käse auf die Ökobilanz zu achten – und darüber hinaus vorschlug, deshalb vegane Käsealternativen zu probieren – beschwerten sich zunächst bekannte Gesichter der Branche lautstark. Anschliessend haben sich Organisationen der Milch- und Käseindustrie an die Stadt gewendet und behauptet, dass die Stadt die schlechte Ökobilanz von Käseprodukten mit Scheinargumenten begründet habe. Nachdem die ersten Vertreter der Landwirtschaft die Stadt Biel kontaktiert hatten, zog diese ihren Artikel zurück und will sich sogar dafür entschuldigen. Künftig will die Stadt eigenen Angaben zufolge verstärkt «positive Aspekte einer tierischen Ernährung» thematisieren. [1]

Faktencheck: So schlecht ist die Produktion von Käse wirklich für die Umwelt

Hauptsächlich kritisierte die Stadt Biel, dass die Käseproduktion unökologisch ist, weil für die damit verbundene Tierlandwirtschaft und die benötigten Futtermittel grosse Flächen gerodet, gewässert und gedüngt werden müssen. Die Lobbyisten argumentierten, dass die Rodung von Wäldern in der Schweiz prinzipiell verboten ist. Obwohl das stimmt, [2] ist die Schweizer Milchwirtschaft aufgrund des verwendeten Kraftfutters mitverantwortlich für die Rodung von südamerikanischen Wäldern, die für das Erdklima wichtig sind. [3] Dass sogenannte «Nutztiere» grösstenteils woanders gehalten werden, als dort, wo ihre Nahrung wächst, führt zu vielfältigen Umweltproblemen. Wenn Produktionsregionen Tiernahrung im grossen Stil exportieren, fehlt dort in den Anbauregionen Dünger, der Nährstoffe zurück in die Böden bringt. Stattdessen kommt dann Kunstdünger zum Einsatz, durch den der Humusgehalt und die Fruchtbarkeit der Böden abnehmen, weil künstlichen Düngemitteln die organischen Anteile fehlen. [4] Der Nährstoffmangel im Boden wird dort dann oftmals – jedoch nur kurzfristig – durch Brandrodung von Wäldern und Ackerflächen ausgeglichen. [5] Im Gegensatz dazu entstehen in der Schweiz Nährstoffüberschüsse: Inzwischen werden Millionen Kubikmeter Gülle Hunderte Kilometer herumtransportiert; überschüssiger Hühnermist wird teilweise aus der Schweiz bis nach Norddeutschland exportiert. [4]

Darüber hinaus kritisierte die Stadt, dass das Verhältnis vom Nahrungsaufwand zur Menge des Milch- oder Käseprodukts fraglich ist: Eine Kuh frisst mehr, als sie Milch produziert; für die Herstellung von einem Kilogramm Käse wiederum werden bis zu zwölf Liter Milch benötigt. Dementsprechend schlecht fällt die CO2- und Methan-Bilanz des Produkts aus. [1, 6] Für die Produktion von Kuhmilch wird ausserdem etwa die doppelte Landfläche wie für Pflanzendrinks benötigt. Bei dem Ausstoss von Treibhausemissionen verhält es sich ähnlich. [7]

Ein weitaus grösseres Problem – das die Stadt nicht thematisierte – stellt das Ammoniak dar, das aufgrund der grossen Tierbestände in die Luft entweicht. Die Schweiz als Alpenland gehört weltweit zu den Ländern mit den höchsten Ammoniakemissionen pro Fläche: Der Ausstoss von Ammoniak liegt weit über dem umweltverträglichen Mass; empfindliche Ökosysteme wie Wälder, Hochmoore oder besonders artenreiche Trockenwiesen sind bereits weitgehend irreversibel geschädigt. Schon seit etwa 20 Jahren produziert die Schweiz fast die doppelte Menge Ammoniak, die nach Umweltgesetzgebung zulässig ist. Bundesprogramme in Millionenhöhe, die emissionsmindernde Verfahren finanzierten, brachten kaum eine Entlastung – denn die Bewilligung von Stallkapazitäten liegt letztendlich bei den Kantonen. [4]

Im Wesentlichen sind somit die finanziellen Interessen der landwirtschaftlichen Industrie für diese Entwicklung verantwortlich. [4]

Industrielle Tierwirtschaft als treibende Kraft des Klimawandels – Politik muss endlich handeln

Die Landwirtschaftspolitik steht in der Verantwortung, das Problem der grossen Tierbestände so bald wie möglich anzugehen. Das Statement der Stadt Biel bezüglich der schlechten Ökobilanz der Milch- und Käseindustrie war ein guter Schritt in die richtige Richtung, um Aufmerksamkeit auf die umweltschädlichen Auswirkungen dieser Industrie zu lenken. Leider haben die Verantwortlichen sofort zurückgezogen, als Vertreter der Milchindustrie sich entrüstet gezeigt haben, da sie offensichtlich aus finanziellen Gründen an der Aufrechterhaltung des Systems interessiert sind. Die Industrie hat nur den eigenen Profit im Blick und nimmt dabei billigend in Kauf, dass Tiere getötet werden, die Gesundheit von Menschen geschädigt und die Umwelt zerstört wird.

Anders als von vielen kritisiert wurde, riet die Stadt jedoch nicht einmal grundsätzlich vom Käsekonsum ab, sondern wies nur darauf hin, dass ein rein pflanzliches Produkt ökologisch besser dasteht und der Verbraucher die Alternative testen solle. 

Wir von PETA Schweiz fordern von der Stadt Biel, sich nicht von der Milchlobby unter Druck setzen zu lassen – und darüber hinaus auf Drängen der Lobbyisten tierische Produkte nicht zu bewerben! 

«Heute ist es wichtiger als jemals zuvor, die Folgen tierischer Produkte auf die Umwelt ins allgemeine Bewusstsein zu rücken und darauf hinzuweisen, dass eine pflanzenbasierte Lebensweise problemlos möglich ist.» – Ilana Bollag, PETA Schweiz

Immerhin: Bei vielen Schweizer Bauern ist eine positive Entwicklung zu verzeichnen; immer mehr Landwirte steigen aus der tierquälerischen und umweltschädlichen Milchindustrie aus. 

Kühe leiden in der Milchindustrie

Unabhängig von der schlechten Umweltbilanz der Milchindustrie leiden unzählige Tiere für das ausbeuterische System. Ebenso wie menschliche Frauen sind Kühe etwa neun Monate lang schwanger. Bis zu zehn Monate produzieren Kühe dann Milch in einer Menge, die für Bauern wirtschaftlich ist. Damit der Milchfluss dauerhaft konstant und rentabel bleibt, werden Kühe jedes Jahr erneut zur Fortpflanzung gezwungen. Ihre Kinder werden ihnen meist unmittelbar nach der Geburt entrissen und in «Kälberboxen» mit künstlicher Nahrung versorgt, damit der Landwirt möglichst viel von der Milch verkaufen kann. Nach wenigen Monaten werden die männlichen Kälbchen im Schlachthaus getötet und als Kalbfleisch verkauft; die weiblichen Tiere werden wie ihre Mütter für die Industrie ausgebeutet. Nach etwa fünf Jahren lässt ihre «Milchleistung» nach und sie werden – oft mit unzureichender Betäubung – im Schlachthaus getötet. Die natürliche Lebenserwartung einer Kuh liegt bei rund 20 Jahren.

WAS SIE TUN KÖNNEN

Wenn Sie möglichst umwelt- und tierfreundlich leben wollen, entscheiden Sie sich für eine vegane Ernährung und Lebensweise.